Updated on
Jul, 28 2025
Konstantina Zivla
Senior Associate

Teil I: INTERPOLs Beteiligung an internationalen Fällen elterlicher Kindesentführung

Die Komplexität und Ernsthaftigkeit internationaler Fälle elterlicher Kindesentführung (International Parental Child Abduction – IPCA) kann nicht genug betont werden. Wenn ein Kind ohne Zustimmung eines Elternteils in ein anderes Land gebracht oder dort zurückgehalten wird und alle Versuche einer außergerichtlichen Lösung scheitern, ist eine schnelle und wirksame Lösung kaum zu erwarten. Oberstes Ziel ist es, das Kindeswohl zu wahren und psychischen Schaden zu vermeiden. Hier zeigt sich die Notwendigkeit eines klaren und wirksamen internationalen Rechtsrahmens.

Das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (im Folgenden „Übereinkommen“) wurde speziell zur Regelung solcher Situationen geschaffen. Ziel ist es, den vor der mutmaßlich widerrechtlichen Entziehung des Kindes bestehenden Sorgerechtsstatus wiederherzustellen. Das Übereinkommen legt Verfahren zur Beweissicherung, Identifizierung des Kindes, vorläufigen Maßnahmen und letztlich zur Rückführung des Kindes fest – wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Doch ohne wirksame internationale Zusammenarbeit bei der Rechtsdurchsetzung bleiben diese Mechanismen wirkungslos.

INTERPOLs (Nicht-?)Beteiligung an Kindesentführungsfällen

Die Rolle von INTERPOL ist in diesem Zusammenhang entscheidend, jedoch ist der rechtliche Rahmen der Organisation nicht darauf ausgelegt, diese Rolle effizient zu erfüllen. Laut Artikel 83 der INTERPOL-Datenverarbeitungsregeln (RPD) dürfen Red Notices grundsätzlich nicht bei Fällen aus dem familiären oder privaten Bereich erlassen werden – etwa bei Ehebruch, Bigamie oder Sorgerechtsstreitigkeiten –, es sei denn, sie stehen im Zusammenhang mit schweren Straftaten oder organisierter Kriminalität.

Dieses Prinzip dient dem Schutz vor Missbrauch und soll verhindern, dass INTERPOL in familiäre oder kulturell geprägte Konflikte hineingezogen wird. Dennoch hat die Kommission zur Kontrolle der INTERPOL-Akten (CCF) in Einzelfällen von dieser Regelung abgewichen.

Ein Beispiel ist der Fall „XX“ und „YY“, in dem die Mutter (XX) und ihr Sohn (YY) im Mittelpunkt von INTERPOL-Notices (Blue und Yellow) standen, die von der US-amerikanischen NCB wegen angeblicher Kindesentführung beantragt wurden. Die Mutter beantragte bei der CCF die Löschung dieser Daten mit der Begründung, es handle sich um eine private Sorgerechtsangelegenheit. Zudem legte sie dar, dass sie das Land legal verlassen habe, keine gerichtliche Entscheidung gegen sie vorlag und sie den Schritt im Interesse des Kindeswohls unternommen habe.

Obwohl sie umfassende Belege vorlegte – einschließlich psychologischer Gutachten und Schulbescheinigungen –, wies die CCF den Antrag zurück. Die Kommission argumentierte, die Vorwürfe seien strafrechtlich relevant und erforderten internationale Polizeikooperation.

Kritische Fragen zur Rolle INTERPOLs

INTERPOLs Eingreifen in solche familiären Streitigkeiten wirft mehrere Fragen auf:

  • Ist ein solcher Eingriff wirklich verhältnismäßig im Hinblick auf die von Mutter und Kind ausgehende “Bedrohung” der internationalen Ordnung?
  • Gibt es zivilrechtliche Alternativen zur Lösung solcher Streitigkeiten, z. B. über private Vollstreckungsstellen mit Unterstützung durch Kinderpsychologen – wie es das Haager Übereinkommen vorsieht?

Noch grundsätzlicher stellt sich die Frage:

  • Gilt die Unterscheidung zwischen privaten und nicht-privaten Angelegenheiten nur für Red Notices, oder auch für Yellow, Blue oder Green Notices?
  • Warum weicht die CCF in Einzelfällen von den RPD ab?
  • Warum unterscheidet INTERPOL nicht konsequenter zwischen echter Kindesentführung (z. B. durch Menschenhändler) und elterlichen Sorgerechtskonflikten?

Wenn Mütter, die ihr Kind im Ausland vor Missbrauch schützen wollen, denselben Status erhalten wie internationale Entführer, leidet nicht nur das Vertrauen in INTERPOL, sondern es drohen auch ernsthafte Menschenrechtsverletzungen.

Menschenrechtliche Bedenken

INTERPOL sollte nur dann Notices ausstellen, wenn:

a) Eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt, die eine widerrechtliche Verbringung des Kindes feststellt, und b) Diese Handlung eine schwere Straftat darstellt.

Zunehmend jedoch werden Notices gegen Eltern ohne Gerichtsurteil ausgestellt – etwa wenn der „mitnehmende“ Elternteil versucht, das Kind vor Missbrauch zu schützen. Dies kann das Recht des Kindes auf Schutz vor Schaden verletzen und eine Zweckentfremdung des internationalen Strafverfolgungssystems darstellen.

Hier bedarf es klarer Regeln: Die betroffenen Eltern sollten mittels fundierter Beweise – etwa zu Missbrauchsrisiken – bei der CCF die Löschung der Daten beantragen können. Nur so wird das Kindeswohl gewahrt und gleichzeitig die Rechtsstaatlichkeit INTERPOLs gewahrt.

Fazit

INTERPOLs Rolle in elterlichen Kindesentführungsfällen ist derzeit unklar und inkonsistent. Zwei Wege stehen offen:

  1. Eine Anpassung des rechtlichen Rahmens für alle Notice-Typen im Hinblick auf elterliche Kindesentführung.
  2. Ein klarer Ausschluss solcher Fälle aus dem Mandat der Organisation.

Beides würde für mehr Transparenz, Rechtssicherheit und internationalen Vertrauensschutz sorgen.

Wie Sie eine Löschung aus INTERPOLs Datenbank beantragen

Wenn Sie betroffen sind, gehen Sie wie folgt vor:

  1. Feststellung des Notice-Typs: Klären Sie, welche Art von INTERPOL-Notice vorliegt und auf welcher rechtlichen Grundlage.
  2. Juristische Beratung: Kontaktieren Sie eine Kanzlei mit Erfahrung im INTERPOL-Verfahren und internationalem Strafrecht.
  3. Sammeln von Unterlagen: Stellen Sie sämtliche Beweise und Dokumente zusammen, die Ihre Position stützen.
  4. Einreichung eines Antrags: Beauftragen Sie Ihre juristische Vertretung mit dem gut begründeten Löschungsantrag bei der CCF.
  5. Nachverfolgung und Interessenvertretung: Die Einreichung ist erst der Anfang – ein professionelles Follow-up kann entscheidend sein.

Handeln Sie jetzt, bevor es zu spät ist. Unsere Kanzlei bietet spezialisierte Beratung und Vertretung gegenüber INTERPOL. Kontaktieren Sie uns für ein vertrauliches Erstgespräch.

Konstantina Zivla
Konstantina Zivla
Sie hat ihr Jurastudium an der Universität Zypern abgeschlossen und einen Master im Strafrecht an der Queen Mary University in London erworben. Sie bearbeitet erfolgreich schwierige Fälle im Zusammenhang mit großen internationalen Organisationen wie INTERPOL, LexisNexis und World-Check, insbesondere bei Anfragen zur Löschung von Kundendaten. Konstantina arbeitet mit komplexen Fällen für sehr vermögende Mandanten in verschiedenen Rechtsordnungen.
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